Interview mit Ewart Reder (April 2008)



Wen wollten Sie schon immer mal treffen?
Scarlett Johansson in einem Tokyoter Hotel, während ihr Mann einen Termin hat.

Welcher Autor hat Sie wie beeinflusst?
Döblin mit seiner Radikalität als Erfinder. Was da ist, zu beschreiben ist so absurd wie von anderen Gesagtes zu wiederholen. Eine eigene Welt ist die Eintrittskarte zur Literatur, überleben und was anstellen darin muss man auch noch, gar nicht so einfach.

Welches Buch hat Sie wie beeinflusst?
Den "Idiot" hinten zugeklappt wollte ich mein Leben ändern. Zwanzig Minuten später wollte ich in einer Kneipe eine Schlägerei anfangen. Zu meiner Ehre mit einem Nazi, aber wieder: Alles nicht so einfach, lernt man. "Momente der Geborgenheit" von Hansen habe ich weggelegt in dem Wissen, dass die Welt genau so, wie ich sie vorfinde, eine Schwerarbeit wie das Romane Schreiben lohnt. In "Die Wiederkehr" von Percy hat mich dessen logische Erkennungsmelodie beswingt: Da ist viel. Da muss noch mehr sein.

Wie sehen Sie die Zukunft der Literatur?
Düster. Danach wieder offen. Bücher von Dubravka Ugresic und Morris Berman erklären mir, warum der westliche Kulturstalinismus nichts verbietet: weil Marginalisierung viel gründlicher tötet. Uns allen droht dabei der Tod durch Unterforderung. Eine Jugend muss kommen, die komplett verweigert bzw. auskotzt, was man in sie stopft und gestopft hat. Bisher habe ich mich in drei, vier Jugenden schon getäuscht. Aber sie kommt, da bin ich mir (relativ) sicher. Übrigens glaube ich an eine Ewigkeit, in der freie Geister schweifen, Dichten ist ein Lieblingsspiel von Geistern. Alles halb so schlimm also.

Mit welchem Satz würden Sie gerne zitiert werden?
Grad hat man mich ohne Buch auf die pompöse Präsentation meines neuen Buchs geschickt, für den Moment daher: Bücher sind wie Männer, je später sie kommen, desto besser.

Was denken Sie, inwiefern das Internet die Literatur beeinflusst?
Das Internet ist ein Müllplatz (sorry, webmaster), also, wie wir aus unseren Metropolen wissen, ein Ort, an dem es sich leidlich lebt. Wer Zeit hat zu suchen, findet auf einem Müllplatz alles, was ihn überleben lässt. Auch mal ein gutes Buch. Ich persönlich lebe gern woanders. Ein Müllplatz bezahlt einen auch nicht für das, was man auf ihm deponiert. Ich verlange Geld für meine Schreibarbeit und muss es. Einem Kollegen, der von seinem Schreiben 'leben kann', habe ich gleich nach der fälligen Verbeugung gesagt: Du hast aber nicht meine Frau und würdest sie auch nie kriegen (entschuldige, Schatz). Bei Ansprüchen über JH-Stockbettniveau geht es nicht ohne einen Brotberuf, so viel ist klar, aber ich glaube, ich schweife grad ganz fürchterlich vom Thema ab...

Was ist Ihrer Meinung nach der Sinn des Lebens?
Nichts, was man in Eingabefenster schreibt wie das hier. (Alles, was den Blick in den Spiegel aushält.)

Wie soll man sich später an Sie erinnern?
Mit einem bezahlten Buch von mir auf dem Schoß. Meine Erben haben sich ihr Schmerzensgeld verdient.

Wer ist Ihre Lieblings Romanfigur?
Friedrich Becker in "November 1918". Und Dora, die Heldin meines ersten Romans ...

Wenn Sie eine Zeitreise machen könnten, was würden Sie tun?
Interviews führen zu Romanhintergründen. Leben würde ich standhaft in der Gegenwart.

Was wollten Sie schon immer mal sagen?
Nichts, was in so Eingabefenster passt. Längeres. Mich drücken körperlich die Romane, die ich gerne schreiben möchte und nicht kann, weil mir niemand den Vorschuss zahlt. Was noch? Anarchie ist das Sicherste. Lesen ist Sex zwischen Welten. Einen Aphorismenband absondern würde ich auch gern. Aber das Kästchen ist wahrscheinlich gleich zu Ende.

Nennen Sie uns Ihr Lieblingsbuch:
Eins? Bin ich Analphabet? Ein Buch wäre ohne zwanzig andere nie das für einen geworden, was es ist ... Still jetzt, sei nett. Meine Antwort ist, Sie werden lachen, die Brechtsche.

Nennen Sie uns Ihren Lieblingsfilm:
Einen? War ich blind hinterher? ... Zwei: Vögel, Waisen und Narren (CS/F 1969), Providence (F/CH 1977), Vgl. auch Frage 1

Nennen Sie uns ein gutes Lebensmotto:
Drei, bitte: 1) sich ähnlich werden 2) gekonnt verlieren 3) ama et fac quod vis

Nennen Sie uns Ihr Lieblingszitat:
"Ein Schriftsteller steht immer allein und am Anfang hat er nur einen einzigen Verbündeten: seinen Verleger." (Hermann Kesten)

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